neue CD “how to divide by zero”
Aufgenommen im Oktober 2019 beim Saarländischen Rundfunk.
Release April 2020
Liner Notes von Pascal Ohlmann
How to divide by zero
Musik – und besonders improvisierte Musik – scheint bisweilen in der Lage, das Leben zu imitieren. Animiert durch Puls [irrawaddy beat] und Atem [athmos], ist ihr die Regelhaftigkeit von Struktur [3times4] und Ordnung [7am] zu eigen, wiewohl ihre Wesensmerkmale Spontaneität und Kontingenz umfassen. Wenn sie Bewegung [crab ballet], Entwicklung und Veränderung [morph] beschreibt, wenn sie Orte und Ereignisse unserer Erinnerung [kriti] vergegenwärtigt oder solche unserer Imagination [island full of noises] beschwört, lässt ihr Erklingen in seiner vitalen Unmittelbarkeit sowohl die zeitliche und räumliche Bedingtheit des Seins reflektieren als auch ein Moment der Entgrenzung erahnen.
Diese Lebendigkeit improvisierter Musik erfordert Kommunikation und Austausch zwischen den Musizierenden. Der hörenswerten musikalischen Aussage geht das konzentrierte Zuhören voraus, der persönliche Ausdruck gründet auf der offenen Hinwendung, das individuell Eigene braucht den Bund mit dem Anderen. In den aufmerksamen Abläufen und Mustern des gemeinsamen Improvisierens verdichtet sich ein kooperatives Miteinander, wie man es als Entwurf für das soziale Leben wünschen möchte. Improvisierte Musik formuliert eine Antithese zum hohlen Dröhnen eines degenerierten politischen Diskurses, der sich gleichermaßen zynisch wie narzisstisch nur mehr im Eigeninteresse erschöpft.
Freilich kann Musik nicht einfach die Realitäten, das Faktische und das Defekte der Welt leugnen oder verkehren, aber sie lässt diesen begegnen.
Wie man etwa durch Null dividiere [how to divide by zero]?
Eine positivistische Antwort bleibt auch die Musik schuldig. Allerdings vermag sie selbst diejenigen Emotionen, die das Erfahren von Einschränkung und Vergeblichkeit begleiten, zu sublimieren. Das Leben, das sie so entwirft, trägt immer ein Versprechen.
P.O.